Category Exhibitions, 2006-08-25

Morbides trifft auf Modernes

Knut Hartmann stellt impressionistische Stadtporträts in der Heyne-Fabrik aus

Die „kunstansichten“, überregional beachtetes Offenbacher Festival, finden in diesem Jahr zum neunten Mal statt. 250 Künstler präsentieren sich von 8. September (Vernissage ab 19 Uhr) bis 17. September in rund 100 Ausstellungsräumen, Galerien, Ateliers und Museen. Den Höhepunkt bildet der „rundgang“ am zweiten Wochenende. Einige Ausstellungsorte stellen wir vorab schon vor.

Neu dabei ist in diesem Jahr Knut Hartmann, der in der Heyne-Fabrik die fotografische Inszenierung „Beauty and the Beast – Venice meets New York City“ als Ergebnis einer zweijährigen Projektarbeit präsentiert. Gezeigt werden vierzig großformatige, technisch aufwändige Farbvergrößerungen, die bereits als Miniaturen auf dem Aufbauplan eine faszinierende Wirkung entfalten. Es handelt sich nicht um typische Städteporträts, vielmehr um impressionistische Momentaufnahmen. Der Designer, der sich selbst nicht als Künstler bezeichneten möchte, inszeniert die Tag- und Nachtbilder in zwei separaten Räumen einer großzügigen Halle mit akustischer Untermalung. Der Venedig-Zyklus wird von klassischer Musik begleitet. Die New York-Ansichten werden von authentischen Straßengeräuschen atmosphärisch verstärkt. Jede Stadt steht für sich, beide zueinander in Kontrast: Das Morbide trifft das Moderne – eine venezianische Maske das Empire State Building.

Hartmanns Interesse am eigenen fotografisches Schaffen entwickelte sich mit der Einführung der Digitalkamera. Die Beschäftigung mit abstrakten Stadtansichten begann per Zufall – mit einer verwackelten Aufnahme des nächtlichen Venedig. Eigentlich einer dieser missglückten Schnappschüsse – das Motiv verschwommen, künstliche Lichter als verzogene Spiralen – die später aus dem Speicher der Kamera gelöscht werden. Er jedoch konnte sich nicht davon trennen. „Es hatte was“, erinnert sich der Designer. Schließlich brachte es ihn auf die Idee, Fotos mit eben dieser Art verwischter Effekte bewusst zu inszenieren. Indem er die Belichtungszeit verlängert, macht er die Bewegung zum gestalterischen Element seiner Sujets. Nur partiell bearbeitet er die Motive am Computer nach.

Knut Hartmann, 1949 in Neuwied geboren, ist Mitglied des New Yorker Type Directors Club und Lehrbeauftragter an der FH Wiesbaden. Vor zwei Jahren zog er mit seiner in den 1980er Jahren gegründeten Agentur für Marken- und Verpackungsdesign samt zehn Mitarbeitern von Frankfurt in die Heynefabrik. Die Mischung aus denkmalgeschützter Substanz der um 1900 erbauten Metallschraubenfabrik und moderner Architektur hatte ihn auf Anhieb begeistert.

Mit der selben durchdachten Präzision, die er für Agenturaufträge anwendet, geht Hartmann auch seine künstlerische Arbeit an. In der Neugestaltung einer Backform-Verpackung liegt für ihn der gleiche Reiz und kreative Anspruch wie in seinen freien Fotoprojekten oder in den Vorbereitungen zu seiner aufwändigen und sicherlich sehenswerten Ausstellung.

ANKE STEINFADT, Offenbach Post